lifestyledrifter

alles irgendwie gedämpft, stillgebügelt. ein einziger
drift vorbei am krokos. ich drehe mich um, gelähmt
vom hunger & jeder atemzug ein leichtes kribbeln.

dazu: die sonne rauscht im gras. ein wehen der
lebensleichen, ein vibrieren der tagverschmäher
& narben unter der kopfhaut. von inneren monologen.

nachts ist mein hinterland

wir berühren den äußersten fleck:
da, wo die glut ins gesicht schwappt
& invertieren das lustschmelzen
mit händen aus rostigem papier

umlagert von dieser windstille:
liegt der milchschaum im meer
& alles, was gedämpft schnürt,
versäuft sich am schwinden

die kalkschwemme im nacken:
drückt mit last & hier, wo kein
freiraum herrscht, gebe ich das
land auf & lösche die silhouetten

ticktack, die stunden verdampfen:
das wunde kratzen vor zorn, dann
ein aufschürfen; noch zwei schritte

blätter beugen sich, der strom bebt
& das pechschwarze tuch schlägt hin

endlich: da ist mein hinterland

Himmelsweh

Im Morgen treibt das Seitenblicken davon und allmählich lassen wir die Stimmen fortwehen. Dann ist da der kurze Rausch der glitzernden Splitter in deinen Augen, das Hängen in Gedankenlosigkeit und der Geschmack von Weinresten auf den frühen Stunden. Unsere freundschaftliche Distanz hat keinen Raum mehr. Und ohne weiteres Zögern greifen meine Lippen nach dir. Ich falle entlang deiner Zähne, aber dein Mund fängt mich auf, und ich verfange mich in dir.

Ich will dich nicht loslassen. Nicht jetzt. Ich will dich noch länger so spüren. Deinen flachen Atem an meinem Hals, den weichen Flaum in deinem Nacken, den warmen Taumel auf deiner Schulter, das Kribbeln deiner Hände, das Flehen deiner Haut. Ich will all das an mich reißen, es so fest an meine Brust pressen, dass mir davon die Luft ausgeht. Ich möchte dich nicht gehenlassen. Ich will diesen Abschied vermeiden, um nicht wieder an unvollendeten Geschichten schreiben zu müssen. Ich möchte keine Worte aufstellen, die Schwere zelebrieren. Keine Unmöglichkeiten hereintragen.

Also sag kein Wort mehr. Stell das Glas zur Seite. Gib mir deine Hand, leg sie in meine, lass mich nach deinen Haaren greifen, lass meine Finger durch deine Strähnen tändeln. Und lass uns diese Nacht so lange mit tanzenden Zungen verschleppen, bis wir uns nicht mehr wie kleine Kinder, die etwas angestellt haben, verstecken müssen.

Doch dann: Ein letzter Blick, die Tür schließt sich. Und zurück bleibt eine Frage: Wieviele Wahrheiten kann es geben, wenn jede richtig ist, doch keine der Realität entspricht?

Manchmal ist das Leben lautlos …

Unentschlossen siehst Du mich an. Das Kinn gesenkt, den Kopf auf Halbmast, aber den Blick in die Höhe gestreckt, mit weiten Augen und trauriger Stirn. Einzelne Sätze flattern wie versehrte Schmetterlinge aus Deinem Mund zu mir herüber.

Und mir schlottern die Knie. Diese unsäglichen Wellen setzen sich bis unter meine Kopfhaut fort. Ich möchte Dich festhalten, Dich an mich reißen, endlich all diese Störgeräusche vom Tisch fegen, mich in dir vergraben und mich bis in Deine Haarspitzen strecken.

Doch alles, was bleibt, ist dieses unsägliche Gefühl, manches einfach nicht mehr ungeschehen machen zu können. Und eine existenzielle Leere, die wie pechschwarze Wandfarbe daherkommt.

Von hier gibt es keine Bilder

während sich allmählich
der morgen entblättert,
silberweiße wolken ihre
lasten über den besoffenen
himmel schmuggeln, die
arschlöcher dieser stadt
ihr dunkles raunen in das
aufgehende licht speien
& in unseren schlaftrunkenen
augen der letzte glanz versinkt:

was wäre aus uns geworden
(frage ich)
wenn es keine musik gäbe?

nachtdurst

Du wickelst meine Arme um dich. Zuerst nur lose, dann immer fester. Bis dir seufzend eine Handvoll Luft von den Lippen fällt. Ich fange sie auf. Lege sie in meinen Mund und der süße Geschmack von Himbeeren steigt mir in den Kopf.

Unter mir wandert dein Körper. Mit leichten Schritten fließt deine Haut entlang meiner Fingerkuppen. Und deine Wimpern winken, während sich dein Kopf dreht. Deine Wange lässt dabei eine Strähne fallen, dein Nacken schiebt sich nach oben und legt sich an mein Kinn. Der weiche Streifen unter deinem Ohrläppchen schiebt sich zwischen meine Zähne. Und der Abdruck, den sie hinterlassen, erinnert mich irgendwie an Gestern, als wir mit glänzenden Augen und feuchten Handflächen Erdbeeren geklaut haben.

Aber der Gedanke lässt mich nicht länger zu. Weil auf deinen Brüsten Schweißperlen warten. Und weil ich es mag, wie sie sich zurücklehnen, wenn du liegst. Und wie sie aufstehen, um zwischen meinen Händen zu spazieren. Wie sich das anfühlt, wenn sie lebendig werden. Gerade so, als würde man Inseln aufschütten.

Es gibt kein Kopfschütteln. Kein gleichgültiges Schulterzucken oder Davonlaufen. Nur ein stetiges Wiedersehen. Und vielleicht ein kurzes Innehalten, während dein Puls gegen meinen Körper klopft. Mal schiebe ich mich unter deine Fingernägel, mal tanze ich auf ihren Spitzen. Wir laufen alle Wege aneinander ab. Um uns zu vermessen, vielleicht auch zu kartographieren. Aber nicht in Metern. Nicht in Zentimetern. Nein, wir tasten uns Zelle für Zelle vorwärts. Weil wir Angst davor haben, dass es irgendwann zu Ende ist.

Vielleicht war es das einzige Mal, dass ich auch bei dir diese Angst gespürt habe.

Du hast mich aufgesaugt und ich bin tief in dich gefallen. Du hast mich in dich hineingeflochten, so wie man zwei Schnüre miteinander verbindet, die man nie wieder trennen will. Und dennoch ist da so etwas wie ein leichtes Unbehagen. Ein feiner Zweifel, der sich zwischen die Schulterblätter gesetzt hat und der weiß, was als nächstes kommt.

Aber ich will dieses Unbehagen nicht adoptieren. Ich will dich weiter mit mir tragen. Ohne Irreführung. Ohne das Gefühl, demnächst meine Zahnbürste wieder einpacken und die Tür ein letztes Mal hinter mir schließen zu müssen. Wenigstens für eine Zeit.

Ich lege mich in deinen Bauchnabel und versuche mich irgendwie an dir festzuhalten.

manchmal ist das leben laut

Alles ist Nebel. Ein Auflösungsprozess aus fein verteilten Wassertröpfchen. Und du tanzt im Dunst, langbeinig und eklektisch. Dann fallen die Dinge plötzlich aus der Welt.

Und so beginnt es.

 

– Hey, kommst du mit auf die Dachterrasse?

Die Luft ist stickig. Das Denken findet in einem kleinen, dunklen Raum statt, der überfüllt ist mit schweren Beats, schweißgetränkten Körpern und nichtssagenden Blicken. Kein Platz für Überlegungen. Vielleicht nur die nasse Spur an der Wand, die ein innerer Monolog wie ein glitschiger Fisch hinterlassen hat. Vielleicht nicht mal das.

Der Duft von Himbeeren strömt aus deiner Frage. Ohne nachzudenken folge ich dir. Dem Mädchen mit der Löwenmähne und dem Herzen eines Raubtiers.

 

Reden, wenn du magst. Ich nicke. Doch du schweigst. Mein Kopf ist der Aufwachraum. Und meine Gedanken ein einziges Neonflimmern. Dann sagst du diesen Satz, den ich erst sehr viel später verstehen werde. Versuch nicht, mich festzuhalten. Deine Beine baumeln über dem Abgrund. Mit beiden Armen stützt du dich ab. Wir sitzen auf der Mauer, die rund um die Dachterasse verläuft. Hinter uns liegt Stimmengemurmel und vor uns eine alles erschöpfende Dunkelheit. Ich denke, du bist vielleicht zu betrunken, zu aufgeputscht, du spielst vielleicht mit dem Gedanken, dich nach vorne zu lehnen und die drei Stockwerke nach unten zu sausen. Aber das ist es nicht. Du sitzt neben mir und starrst ohne ein weiteres Wort zu sagen in den tiefschwarzen Nachthimmel, der alle Sterne verschluckt zu haben scheint.

Noch weiß ich nichts über dich. Nichts. Aber das stört mich nicht. An deiner Seite zu sein und die Reste dieser Nacht einzuatmen, ist so viel wert wie das Lächeln einer Nymphe. Genauso vergänglich. Und genauso schön. Dann brichst du das Schweigen.

– Warum ist die Welt so scheiß normal?

Ich reiche dir den Joint. Irgendwo in weiter Ferne flackert ein winziger Lichtpunkt. Und etwas leuchtet für einen kurzen Moment auch in deinen Augen auf, während du mich fragend ansiehst. Dein Blick ist ein Fischernetz, das mich gefangen hält. Ich versuche nicht mal, dir zu entkommen.

– Das Leben ist ein Krokus. Etwas Sonne, etwas Schnee …

Du grinst, weil ich den Song kenne, ziehst die Nase hoch und wischst dir die letzten glitzernden Spuren weg, bevor du einen tiefen Zug nimmst.

– Ein Alptraum.

Du verdrehst deine Augen.

– Gestern, das war ein Alptraum. Komisches Zeugs. Keine Ahnung mehr, von wem das war. Aber heute ist es anders. Mit dir ist es anders, sagst du.

Wenn da eben noch ein leises Muster sich überschlagender Stimmen um uns herum war, eine Art kakophones Konzert alkoholgetränkter Sinnlosigkeiten, das rauschend aus dem Hintergrund an unseren Ohren knabberte, so ist da jetzt nur noch eine schmeichelnde Nachtstille, die aufgespalten wird durch unsere Sätze.

– Weißt du, woran ich gerade denken muss?

– Nein, tut mir leid, aber meine Hellseherfähigkeiten sind leider etwas eingeschränkt. Obwohl ich dreimal täglich mit verdeckten Karten übe …

– Schon mal von rhetorischen Fragen gehört?

Du lächelst. Und in deinem Lächeln steckt etwas, das mich nach mehr verlangen lässt.

– Ist das auch eine?

– Halt die Klappe! Und hör mir einfach zu.

Du sagst das mit einer Nonchalance, die mir jeden weiteren Kommentar mit liebenswürdiger Lässigkeit abwürgt.

– Wenn man dieser schmalen Linie dort hinten am Horizont folgt …

Du zeigst mit deinem rechten Zeigefinger geradeaus – mitten in das schwarze Nichts – und legst dabei deine andere Hand auf meinen Arm, was mir wie ein warmes Fluten durch die Adern gleitet.

– … dann ist das, als zerschneide sie zwei Blautöne, die dunkler nicht sein könnten. Ich meine, eigentlich ist das da vor uns doch nur ein einziges tiefes Schwarzblau. Und dennoch. Vielleicht auch nur, weil man weiß, wo der Horizont sein muss, sieht man diese Linie. Und wenn man sie erst mal sieht, dann zerfällt die einheitliche Dunkelheit und löst sich in zwei unterschiedliche Farbschichten auf. Siehst du, was ich meine?

– Du meinst, obwohl der Himmel jetzt nur noch eine Ahnung ist, hebt er sich von der starren Fläche unter ihm ab, wenn man genau genug hinsieht? Ist es das? Willst du mir sagen, dass der Himmel immer seine eigene Schattierung in sich trägt? Egal, wie finster es auch sein mag?

– Vielleicht. Ja, vielleicht wollte ich das sagen. Keine Ahnung. Es ist mir einfach nur aufgefallen.

– Nun, was auch immer das zu bedeuten hat. Aber es mag beruhigend sein, manches auch ohne Licht auseinander halten zu können, oder?

– Ja, irgendwie hast du recht. Auf gewisse Weise gibt einem das ein Gefühl von Sicherheit. Manchmal braucht es unverrückbare Konstanten, Dinge, nach denen man jederzeit greifen kann. Findest du nicht auch? Es scheint, als wäre das eine dieser Konstanten.

– Auf mich wirkst du eher wie jemand, der Konstanten lieber aus dem Weg geht.

– Oh, du willst mich doch nicht etwa mit deiner Menschenkenntnis beeindrucken, oder?

– Könnte ich das denn?

– Nein! Um mich zu beeindrucken, musst du dir schon was besseres einfallen lassen, Schätzchen.

– Ich könnte mit glühenden Kohlen jonglieren. Nur leider habe ich jetzt keine zur Hand …

– Auf lausige Zirkustricks falle ich nicht rein. Aber als Löwendompteur hättest du vielleicht eine Chance bei mir …

Und wieder ist da dieses Lächeln, das von den Mundwinkeln über die Wangen bis zu den Augen reicht. Ein Lächeln, das so weich ist wie ein Butterkuchen, und meinen Verstand mühelos in unzählige Einzelteile auflöst.

– Ein Dompteur? Ach, komm schon. Ich glaube nicht, dass du dich bändigen lässt. Ich habe dich unten auf der Tanzfläche gesehen. Deine Bewegungen waren ein einziges Manifest für Freiheit und Lebenslust.

– Hast du mich etwa beim Tanzen beobachtet?

– Hatte ich denn eine andere Wahl? Du hast schließlich die gesamte Tanzfläche in Brand gesteckt. Ehrlich, was kann anziehender sein, als eine Frau, die so selbstbewusst mit ihrem Körper umgeht? Man spürt, wie sehr es dir gefällt, dich zu bewegen. Und der fließende Rhythmus deiner Hüften raubt einem einfach den Atem. Das ist viel zu schön, um die Augen davor zu verschließen.

– Nun übertreib mal nicht so maßlos. Du sagst das doch nur, weil du glaubst, mir damit ein Kompliment machen zu können.

– Komplimente sind doch nichts anderes als kleine Lügen. Ich sage nur die Wahrheit.

– Lass es mich wissen, wenn du noch mehr solcher Wahrheiten parat hast. Aber komm mir jetzt nicht mit meinen ach so schönen Augen oder irgendwelchen anderen Plattitüden.

– Ich glaube, du bist jemand, der sich nichts aus Konventionen macht. Immerhin hast du mich angesprochen. Du hast wahrscheinlich schon als kleines Kind überall deinen eigenen Weg gesucht und bist dafür abwechselnd geliebt und gehasst worden. Mir gefällt so etwas mindestens genauso gut wie deine wunderschönen langen Beine, die sich bis in den Himmel schrauben. Aber ich muss schon sagen, deine grünen Raubtieraugen sind wirklich bildhübsch. Stehen dir ausgesprochen gut.

Meine Stimme pendelt von Ernsthaftigkeit hin zu einem ironischen Unterton. Ich hoffe, du verstehst, dass ich dich mit den Floskeln nur necken will.

– Oh je, da war er wieder … der Versuch mit Menschenkenntnis zu beeindrucken. Und dann auch noch diese Grußkarten-Komplimente. Du weißt wohl, was Frauen hören wollen, Schätzchen.

Du lachst und beugst dich dabei ein wenig zu mir rüber, gerade soweit, dass sich unsere Schultern berühren. Und dann fängt das Grün deiner Augen wieder zu leuchten an.

– Ich könnte dir jetzt sagen, ich habe dich angesprochen, weil ich nicht zu den Frauen gehöre, die ewig darauf warten wollen bis die Welt endlich zu ihnen kommt. Das würde doch deinem Bild von mir entsprechen, oder? Aber ganz ehrlich … ich habe dich im Halbdunkeln nur mit jemandem verwechselt.

Auch ohne das Grinsen, mit dem du das sagst, hätte ich diesen Satz ohne ein Murren angenommen.

– Ich kann mit Zufälligkeiten ganz gut leben. Das Schicksal ist eine alte versoffene Hure, aber der Zufall so weich wie der Schoß einer Jungfrau.

– Und was meinst du, wo uns dieser Zufall hinführt?

– Willst du das wirklich wissen?

– Nein, aber du siehst mir wie jemand aus, der versucht, immer zwei Schritte voraus zu denken, damit er für alle Eventualitäten gerüstet ist.

– Oh, jetzt also die Retourkutsche. Ich werde auch mit einer Portion Menschenkenntnis bedacht.

– Habe ich denn ins Schwarze getroffen?

– Wenn die Tatsache, dass ich dich wiedersehen will, auch dazu gehört, dann war das ein Volltreffer.

– Du siehst mich doch hier und jetzt. Reicht dir das etwa nicht?

Wie kann mir das reichen, wenn ich bereits seit deinem ersten Lächeln süchtig nach dir bin? Aber ich schlucke diese Frage wieder runter, bevor sie mir aus dem Mund kriecht.

 

Kleines, ich kenne dich überhaupt nicht. Und dennoch kommt es mir so vor, als sei ich bereits seit Jahren in dich verliebt. Irgendwie ist das ja eigenartig, aber all das fühlt sich nicht nach einem Kennenlernen, sondern nach einem Wiedersehen an. Wer weiß, vielleicht waren wir schon einmal hier. Wenn auch nur in Gedanken.

Die Zeit davor. Und die danach.

 

Die Verschiebung beginnt nicht unerwartet. Die Gewissheit, dass es so kommen muss, lag von Anfang an zwischen uns. Ein kurzes Zögern. Ein tiefes Blicken. Dann falle ich.

In deinen Kuss.

Ich schiebe meine Zunge an deinem Atem vorbei, laufe durch die Wodkareste. Vorbei an deinen Zähnen, die stumpf sind von der Nacht und den vielen Zigaretten. Dein Geschmack ist zuerst weich und hell. Aber je mehr ich von dir abtaste, je tiefer ich mich in deinen Speichel schiebe, desto schwerer wird er. Tiefes Himbeerrot wechselt sich mit rosafarbenen Wolken ab. Und wenn die Wolken im Mund aufplatzen, ist es als beiße ich auf Zuckerkristalle.

Und überall ist dieser feine Staub, der sich verteilt und wie spiralförmige Elektrobeats den Puls taktet. Ein einziges Herzreisen, ausgelöst durch das fließende Wandern deiner Lippen.

 

– Sag jetzt nichts mehr, halt einfach nur meine Hand fest. Ja, so ist es gut. Und meinen Kopf – es macht dir doch nichts aus, oder? – den leg ich auf deine Schulter. Miau. Vielleicht bist du wirklich ein Löwendompteur …

Auf einmal bist du zutraulich. Ein kleines, verschmustes Kätzchen, das seine Krallen eingezogen hat. Wenn auch nur für einen Moment. Und wahrscheinlich liegt es am Alkohol oder am Joint oder an der Kombination aus beidem, aber ja, du schnurrst. Ich kann‘s nicht hören. Aber es ist da.

Ich fühle es.

 

Du blinzelst in der aufgehenden Sonne. Wie feiner Puder sind ein paar Wolkenfetzen über dem orangefarbenen Erwachen des Tages verteilt. Ein letztes Mal gibst du mir einen Kuss, dann läufst du davon.

– Sag mir wenigstens deinen Namen, rufe ich dir hinterher.

– Nenn mich Nika. Das gefällt mir irgendwie.

– Sehe ich dich wieder … Nika?

Du drehst dich nicht mal um. Meine Frage bleibt wie ein Flehen zurück. Deine spitzen Absätze klackern über den Asphalt und deine Bewegung ist ein einziges sanftes Flüchten.

 

Die Stille des Morgens verläuft sich zwischen den aufgereihten Betonblüten, in denen noch die letzten Reste von Schlaf wie Tapeten an den Wänden kleben. Und ich werde auf gestreckten Lichtbögen nach Hause getragen. Wie von selbst setzen sich meine Schritte zu einem ungezwungenen Mosaik zusammen.

Und wie von selbst hinterlassen deine Spuren knallbunte Wasserfarbentropfen auf den Pflastersteinen, die mich erahnen lassen, dass sich von nun an alles anders anfühlen wird.

brave new world

Eine Welt, die von einem auf den anderen Tag ihrer gewohnten Konturen beraubt wurde. Die plötzlich nur noch verwaschen vor den Augen schimmert, gleichgeschaltet und graugespült. Eine Welt, in der das Zerdenken von Unvorhersehbarem zur neuen Maxime erklärt wird.

In dieser neuen Welt soll Flucht nicht Schwäche, sondern Stärke sein. In ihr wird der Abbau zelebriert und ständig zündet irgendwo ein Feuerwerk, weil wieder ein Mauerstein entfernt wurde. Hier ist die Nacht nicht schwarz. Hier leuchtet sie in absurden Farben und trägt den Wahnsinn auf die Netzhaut.

Aber ohne Konturen gibt es keine Leitmotive, gibt es keinen Halt, gibt es nichts. Wer hier springt, stürzt ins Bodenlose. Mit jeder Vorwärtsbewegung tritt man weiter auf der Stelle, weil es keine Bezugspunkte mehr gibt, weil sich jede Räumlichkeit ohne Umrisse irgendwann selbst als Hirngespinst entlarvt.

am rand blau

Wir laufen durch leuchtenden Milchschaum, ich male Herzen in die Luft, sorgenfrei und verliebt, und sie, sie fetzt Wolken in den Himmel, feine Haarsträhnen aus Sprühsahne, ihre Augen sind spiegelndes Glas, zwei schimmernde Perlen, in denen Regenbögen wohnen, ihr Lachen ist heute noch ansteckender, butterweich und gelb wie eine Honigmelone, das Sonnenfluten fällt in Kaskaden in den aufsteigenden Tag, und ihre Stimme ist eine schwebende Melodie, in der aus allen Worten, die aneinandergereiht durch die Stunden pendeln, violettblauer Lavendelduft strömt, bis unseren Gedanken Flügel wachsen und wir die unbezwingbaren Helden in einer Stadt aus Glas sind.

Mit aufrichtigen Liebesschwüren im Gepäck segeln wir auf das offene Meer, federleichte Küsse sind unsere einzige Wegzehrung, unsere Lungen sind wie Wachs, und der Geschmack des Feuers liegt auf unseren Zungen, die ausgehöhlten Linien am Horizont und das Flimmern von Texturen und Schatten warten auf uns, und das krachende Aufschlagen von fragilen Wellen, vielleicht hilft es, die Übergänge zu löschen, vielleicht hilft es, Utopien aufzurichten, sie wie Segel in den Wind zu hissen, straff und mit dem richtigen Einfallswinkel, um dem Unausweichlichen zu entkommen, vielleicht hilft es, den Fischen zu vertrauen, die aus dem Wasser springen, die zerbrechliche Oberfläche zerteilen und wieder in der Tiefe verschwinden, vielleicht, ja vielleicht haben wir an diesem Tag die Chance, die Welt anzuhalten und sie in die andere Richtung drehen zu lassen, vielleicht, wenn wir zusammen die Hände ins Wasser halten, vielleicht können wir den Lauf der Dinge anhalten, vielleicht können wir weiße Quarktupfer in den Ozean aus zartrosa gefärbtem Wahnsinn hauchen, vielleicht können wir uns unsterblich machen, wenn wir Freudentränen in Taschen verpacken und sie an Wolken verteilen.

Aber in diesem Moment, in dem zwischen A. und mir alles makellos ist, spüre ich, dass sie die Sonne ist. Und dass diese Sonne irgendwann verglühen wird.